Als die Schule ihren Namen bekam

Ein Bericht von Jule Schmid und Ronja Planitschka, 9e, für die Chronik zum 50-jährigen Schuljubiläum im Schuljahr 2019/2020

Zu Beginn des Schuljahres 1992/93 waren Schülerinnen und Schüler der damaligen Klasse 10b an ihre Deutschlehrerin Frau Gärtner-Ding herangetreten, ihrer „Rea“ einen eigenen Namen zu geben und somit eine eigene Identität zu schaffen. Diese war von dem Gedanken begeistert, denn bisher trug man bloß den schlichten wie nüchternen Namen „Realschule Laichingen“. Zudem war ihr von Anfang an diese Idee auch deshalb so wichtig, weil sie sich aus dem Kreis der Schülerinnen und Schüler heraus entwickelte.

Unter dem Motto “Schluss mit der Anonymität!“ erstellte die damalige Klasse 8a mit 60 Interviews in der Schüler- und Lehrerschaft ein erstes Meinungsbild. 50 von 60 Befragten sprachen sich eindeutig für eine Namensgebung aus. Dies und die Zustimmung des Schulleiters Roth schuf die positive Basis für weitere Schritte.

An Stellwänden konnte die Schülerschaft ihre Namenvorschläge formulieren. Das Spektrum reichte von einigen nicht ganz ernst gemeinten Vorschlägen bis hin zu hochinteressanten Nennungen. Zwei Kriterien waren für die Zehntklässler jedoch von Anfang an wichtig: Es sollten keine abgeklatschten Namen von Personen sein, sondern solche, die Schülerinnen und Schüler dieses Alters interessieren und nicht schon verstaubt sind.

In einer Sitzung im Frühjahr 1992 einigten sich die Initiatoren zuerst einmal auf folgende drei Namensvorschläge:

(1) Käthe Kollwitz – Malerin und Bildhauerin
(2) Heinrich Böll – Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger
(3) Richard v. Weizsäcker – damaliger Bundespräsident

In der Schülerzeitung „Dampfwalze“ vom Februar 1992 schrieb die Klasse 8a dann einen Artikel, in dem das Projekt genauer erläutert wurde, das Team der Klasse 10b stellte in Kurzbiographien die einzelnen Personen vor. Die Öffentlichkeit wurde durch die Südwest-Presse und die Schwäbische Zeitung informiert.
In den folgenden Wochen wurde intensiv über die Namen debattiert, weitere Vorschläge gesellten sich der bisherigen Auswahl hinzu. Unter anderem wurden HAP Grieshaber, Wolfgang Borchert, Anne Frank sowie Eduard Mörike als weitere Möglichkeiten mitaufgenommen.
Im März 1992 einigte man sich dann in einem Gremium aus Schülern und Lehrern wieder auf drei potentielle Namensträger:

(1) Käthe Kollwitz – Malerin und Bildhauerin
(2) Anne Frank – Holocaustopfer
(3) Heinrich Böll – Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger

Vor der Abstimmung präsentierten die Zehntklässler den einzelnen Klassen die Biographien der drei möglichen Namensgeber. Zusätzlich dienten installierte Stellwände den Schülerinnen und Schüler als weitere Orientierungshilfen.

 

Die Schülerabstimmungen brachten dann folgendes Ergebnis:

(1) Käthe Kollwitz 31 Stimmen
(2) Heinrich Böll 119 Stimmen
(3) Anne Frank 189 Stimmen

Die Gesamtlehrerkonferenz stimmte dann am 17. Juni und die Schulkonferenz am 22. Juni 1992 dem Namen „Anne-Frank-Realschule“ zu. Am 03. Juli 1992 wurde der Antrag an die Stadt Laichingen gestellt und die Schulbehörden informiert. Der Gemeinderat stimmte am 24. August 1992 schlussendlich dem Antrag einstimmig zu.

Am Freitag, dem 15. Januar 1993, fand dann die Feier zur Namensgebung statt. Am Morgen beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Namen und der Person Anne Franks. Zwei Videos wurden gezeigt – „Nur ein Tagebuch“ und „Liebe Kitty“ – mit dem „Tagebuch der Anne Frank“ und der Anne-Frank-Zeitung wurde gearbeitet, in einer Ausstellung konnten sich die Schülerinnen und Schüler noch einmal ein Bild vom Leben des Mädchens machen. Eine kleine Feier rundete den Vormittag schließlich ab. Am Abend feierten dann Schüler, Lehrer, Eltern, Gemeinderäte und zahlreiche Ehrengäste gemeinsam den neuen Namen. Unter den zahlreichen Rednern war auch Levien Rouw, Mitarbeiter der Auslandsabteilung der Anne-Frank-Stiftung in Amsterdam. In seiner Ansprache würdigte er nicht nur das Leben der Anne Frank, sondern ging auch auf aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen ein. „Gerade heute darf das Gedenken an Anne Frank nicht aufhören“, sagte Levien Rouw.
Als Verpflichtung dieser Namengebung bleibt uns allen heute und zukünftig, anhand des Schicksals der Anne Frank die Vergangenheit nicht zu verdrängen, aber auch die Sensibilität gegenüber Ungerechtigkeit, Demütigung und Verfolgung in unserer Gegenwart zu stärken.

  Das Mädchen Anne Frank

Annelies Marie „Anne“ Frank wurde am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren. Sie lebte dort mit ihrer älteren Schwester Margot und ihren Eltern Otto und Edith Frank. Ihre Eltern entschieden nach Hitlers Machtergreifung 1933 nach Amsterdam auszuwandern.
Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, was Anne und ihre Familie dazu brachte, sich ab Juli 1942 in einem Hinterhaus mit zwei anderen jüdischen Familien zu verstecken. Anne bekam zu ihrem 13. Geburtstag ein Tagebuch, welches sie liebevoll „Kitty“ nannte. Dort verewigte sie ihre täglichen Gefühle und Gedanken aber auch ihre Ängste. Am 4. August 1944 wurden Anne und ihre Familie verhaftet und in das Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Am 28. Oktober wurden 1.308 Frauen, darunter auch Anne und ihre Schwester, in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht und somit von ihrer Mutter getrennt. Kurz nach Margots Tod verstarb auch Anne im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Fleckenfieber im Februar 1945.
Ihr Vater Otto Frank überlebte als einziger der Familie und veröffentlichte wenig später Annes Tagebücher.